Kernaussagen zum Vortrag
Theorie und Methode der Sozialraumorientierung

SRO wurde seit Anfang der 90er Jahre zum bestimmenden Fachdiskurs, führte zu sozialräumlichen Umbauprozessen der Jugendhilfe und wird seit 2000 auch in Eingliederungshilfe, Sozialpsychiatrie und Altenhilfe vor allem in Zusammenhang mit dem durch die BRK forcierten Inklusionsdiskurs umgesetzt. In der SRO geht es nicht darum, mit instrumentellen Methoden Menschen zu fördern und zu verändern, sondern darum relationale Arrangements zu kreieren, die helfen, auch in prekären Lebenssituationen zurechtzukommen.

Auf theoretischer Ebene ist das eigentlich Neue der SRO ihr transdisziplinärer Ansatz: Psychologisches, pädagogisches Wissen aus der Fallarbeit (Stärkemodell) wird mit soziologischen (Sozialkapitalmodell), ökonomischen (Sozialraumbudget), Organisationsentwicklungswissen (Flexibilisierung), Organizing-Wissen (fallunspezifische Arbeit) kombiniert, um den disziplinären Reduktionismus, der klassisch versäulten Arbeitsformen durch die Verknüpfung verschiedener Handlungsfelder zu überwinden.

a) Auf einer sozialstrukturellen Ebene (S) geht es um die Thematisierung von ungleichen Verteilungen von Einfluss, Besitz und Entwicklungschancen, weniger durch klassisch wissenschaftliche Sozialraumanalyse und Sozialberichterstattung, sondern durch die gezielte Sammlung, Auswertung und lokalpolitische Verwendung von Informationen mit sozialpolitischer Relevanz aus der täglichen sozialpädagogischen Praxis und durch die Unterstützung von Aneignungsstrategien durch Betroffene selbst.
b) Auf der Ebene der Organisation (O) geht es um Flexibilisierung versäulter Organisations- und Verwaltungsrahmen für individuell maßgeschneiderte Hilfearrangements, um sozialraumbezogene, fachdienstübergreifende Aufbauorganisation, um die Steigerung des Inklusionspotenzials von Regelsystemen statt die Aussonderung in Spezialeinrichtungen u. um die Ergänzung inputbezogener Fallfinanzierung durch ein Finanzierungssystem, das sozialräumliches Handeln ermöglicht und wirtschaftlich sinnvoll macht.
c) Auf der Netzwerkebene nutzen und schaffen Sozialarbeiter im Rahmen fallunspezifischer Arbeit (FuA) R soziales Kapital, Gelegenheiten des Austausches, der Kooperation, des Vertrauens zwischen Nachbarn, Bewohnern, Gewerbebesitzern, Vereinsfunktionären oder Betroffenen, die als Ressourcen des Sozialraums sowohl solidarisch helfend als auch solidarisch bemächtigend wirken können.
d) Auf der individuellen Ebene wird das klassische Bedarfsmodell der Hilfe zum Stärkemodell entwickelt, das sich qualifiziert durch Verhandlungen auf Augenhöhe im Sinne einer aktivierenden Orientierung an Willen, Stärken und Ressourcen von einzelnen Adressaten.

Referent: Prof. Dr. Frank Früchtel