Kernaussagen zum DenkRaum 5
Sexuelle Orientierung und Geschlechtsidentität im Kontext von Inklusionspädagogik – Herausforderung Geschlechtervielfalt?

Exklusive Mischung: Queere Kinder und Jugendliche – verletzlich und unsichtbar

Kinder und Jugendliche, die sich gleichgeschlechtlich verlieben oder sich nicht in der gängigen Geschlechterordnung Mädchen/Junge wiederfinden, gibt es überall. Trotzdem werden lesbische, schwule, bisexuelle, trans* und inter* Jugendliche (auch) in der Kinder- und Jugendhilfe häufig übersehen, denn aus Angst vor Ausgrenzung und Diskriminierung bleiben sie meist unsichtbar. Im Spannungsfeld gesellschaftlicher Erwartungen und eigener Gefühle unterliegen diese Jugendlichen einer erhöhten psychosozialen Belastung. Sie sind nachweislich deutlich stärker gefährdet, obdachlos zu werden, Gewalt gegen sich selbst auszuüben oder Suizid zu begehen als heterosexuelle Jugendliche. Daher gelten sie in der sozialwissenschaftlichen Forschung als vulnerable (besonders verletzliche) Gruppen. Eine Befragung von über 5.000 queeren Jugendlichen durch das Deutsche Jugendinstitut zeigt, dass diese Jugendlichen in unterschiedlichen Lebensbereichen Diskriminierung, Ausgrenzung und Gewalt erfahren. Ihr Coming-out, das in der Regel in der Pubertät erfolgt, erleben sie als einen ambivalenten und zumeist höchst komplizierten Prozess (Coming out – und dann…?!, DJI 2015).

Inklusiver Anspruch: Teilhabe aller fördern

Die UN-Kinderrechtskonvention formuliert ein umfassendes Recht auf Diskriminierungsschutz und damit den inklusiven Anspruch, gesellschaftliche Teilhabe unabhängig von Gruppenzugehörigkeiten zu ermöglichen. Dem erweiterten Inklusionsverständnis folgend geht es um einen generellen Abbau von Barrieren – nicht nur in Bezug auf Behinderungen oder Beeinträchtigungen – und um einen intersektionalen Blick bei der Analyse von Faktoren, die zu Ausschlusserfahrungen führen können. Die gesetzlichen Aufträge aus SGB VIII zielen darauf ab, individuelle Persönlichkeitsentwicklung zu unterstützen, Benachteiligungen abzubauen, vor Gefahren zu schützen und positive Lebensbedingungen zu schaffen. Solche Rechtsnormen gelten selbstverständlich auch für queere Kinder und Jugendliche, doch häufig bleiben die Vulnerabilitätsfaktoren sexuelle Orientierung und Geschlechtsidentität noch unberücksichtigt. Exemplarisch bezieht das Berliner Ausführungsgesetz zum KJHG seit 2004 den gesetzlichen Auftrag, Ausgrenzung entgegenzuwirken und gleichberechtigte Teilhabe zu fördern, explizit auf Menschen unterschiedlicher sexueller Identität (§ 3,3).

Blick in die Praxis: Konzeptarm, aber aufgeschlossen

Eine Befragung :von fast 800 Fachkräften der Kinder- und Jugendhilfe zeigte, dass in der Praxis spezifisches Fachwissen und ausformulierte Qualitätsstandards fehlen. Interventionsformen bei homophoben Vorfällen sind weitgehend nicht bekannt. In der Kinder- und Jugendhilfe gibt es so gut wie keine Angebote für schwule, lesbische oder trans Jugendliche, sie kommen in der Öffentlichkeitsarbeit der Einrichtungen nicht vor und sind stark von Unsichtbarkeit betroffen. Die Fachkräfte selbst stehen dem Thema insgesamt jedoch positiv gegenüber, die meisten haben persönliche Kontakte zu Lesben und Schwulen und halten diese Kontakte auch für sehr wichtig in Bezug auf ihren beruflichen Umgang mit der Zielgruppe. 88% der Befragten halten eine klare Antidiskriminierungshaltung in ihrem Arbeitsbereich für eine hilfreiche Maßnahme, 86% bezeichnen niederschwellige Informationsmöglichkeiten für schwule, lesbische und trans*Jugendliche als hilfreich.
DenkRaum für die Praxis: Input für Kopf, Herz und Hand

Der DenkRaum präsentiert einen Fachinput, einen Kurzfilm, eine Sensibilisierungsübung und diverse pädagogische Materialien zu den Themen geschlechtliche und sexuelle Vielfalt von der frühkindlichen Bildung über schulische Bildung und Jugendarbeit bis zur Zusammenarbeit mit Eltern. Er bietet Raum für Gespräch, Diskussion und die Fragen der Teilnehmenden.

Referenten: Stephanie Nordt | Thomas Kugler | Bildungsinitiative QUEERFORMAT